Nous sommes Paris.

15.11.2015

Eigentlich liegt es mir fern, mich zu politischen Themen und zum aktuellen Weltgeschehen öffentlich zu äußern. Ich habe zwar zu den meisten Themen immer eine deutliche Meinung, jedoch halte ich mich eher dabei zurück, diese auch öffentlich kundzutun. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, meine Gedanken hier aufzuschreiben und zu veröffentlichen. Aber jetzt kann ich einfach nicht anders.

Wie ihr wisst, bedeutet Paris für mich mehr als einen netten Städtetrip in die Stadt der Liebe. Mehr als Eiffelturm, Champs-Elysées und Sacré Coeur. Mehr als Sightseeing und Shoppen.

Paris ist für mich eine Art zweites zu Hause und so fühlte es sich umso schlimmer an, als ich am Freitag Abend gemütlich das Länderspiel im Fernsehen guckte und auf meinem Handy eine Mitteilung von Le Parisien erschien, dass es neben den Explosionen rund ums Stade de France auch zu Schießereien mit mehreren Toten im Zentrum der Stadt gekommen war.

Schnell wurden in den französischen Medien genauere Infos bekannt, die ich im Sekundentakt verfolgte und immer wieder aktualisierte.

Ich bin immer noch fassungslos und es fällt mir schwer, das alles hier in Worte zu fassen.

Bei einem der französischen Nachrichtendienste wurde eine Karte veröffentlicht, die die verschiedenen Tatorte zeigte. Ich erkannte sofort, dass sich die Anschläge vor allem im 11. Arrondissement ereignet hatten, denn kaum einen Bezirk kenne ich so gut wie diesen.

Bis vor zwei Jahren habe auch ich dort gelebt. Zwischen der Place de la République und Nation, zwischen Père Lachaise und Bastille.

Als ich auf der Karte „RUE DE CHARONNE – 18 MORTS“ las, konnte ich die Tränen nicht mehr zurückhalten. Einer der Anschläge auf ein Café hatte sich in meiner Straße ereignet. Auf den schrecklichen Bildern konnte ich meine frühere tägliche Umgebung, mein Viertel, meine zweite Heimat erkennen. Im Bataclan hatten auch wir schon Konzertabende verbracht.

Ich glaube, es gibt kaum ein Volk auf dieser Welt, das so viel Zeit in Bars, Cafés und Restaurants verbringt, wie die Franzosen. Ob es ein ausgedehntes Essen mit der Familie, ein paar Drinks mit Freunden, die Mittagspause mit Kollegen oder einfach nur ein kleiner Espresso zwischendurch ist – französische Lokale sind stets gut gefüllt.

Es gibt kaum ein Pariser Viertel, das belebter ist als die Gegend rund um Bastille und République. Ganz besonders natürlich an einem Freitagabend: man lässt gemeinsam die Woche ausklingen und läutet das Wochenende ein. An einem wunderbaren lauen Spätherbstabend. So auch an diesem Freitag. Und dann das.

Die Terroristen haben Paris und ganz Frankreich mitten ins Herz getroffen. Ins Herz ihres Landes und ins Herz ihrer Kultur. Ins Herz ihrer joie de vivre.

Vollkommen wahllos schießen gefühlskalte, kranke Terroristen um sich und töten damit unzählige unschuldige Menschen wie dich und mich. Sie haben von Liebe, Freundschaft und Solidarität keine Ahnung. Daher sind wir ihnen ein ganzes Stück voraus.

Es hätte jeden von uns treffen können. Und genau das ist es, was es so unfassbar grausam macht.

Wir dürfen nicht zulassen, dass die Angst vor weiteren Anschlägen unsere Leben dominiert und wir uns einschüchtern lassen. Dann haben die Terroristen ihr Ziel erreicht. Wir müssen weiterhin eng zusammenstehen.

Genau so wenig dürfen wir zulassen, dass diese schrecklichen Ereignisse die rechte Szene in unserem Land weiter anheizen und weiter Fremdenhass geschürt wird. Es muss allen klar sein, dass die Flüchtlinge, die aus Syrien und dem Irak und all den anderen Ländern zu uns kommen, genau vor dem Krieg derjenigen flüchten, die auch für diese Pariser Attentate verantwortlich sind.

Muslime sind genau so wenig Islamisten wie Christen, Buddhisten, Juden und alle anderen Gläubigen. Islamismus hat mit Religion rein gar nichts zu tun.

Ich hoffe, dass das endlich in den Köpfen der Menschheit ankommt und wir mit allen Nationen & Religionen Seite an Seite unsere Demokratie, unsere Werte und unsere Freiheit gegen den Terrorismus verteidigen.

Und morgen werde ich, wie schon lange geplant, nach Paris fahren. Trotz allem oder gerade deswegen.

Nous sommes tous Paris. Nous sommes unis!