Paris, je t’aime!

Vielleicht liegt es daran, dass es der bisher größte Schritt in meinem Leben war. Meine erste eigene Wohnung. Daran, dass ich komplett auf mich alleine gestellt war. Neues Land, neue Sprache, neue Leute. Neues Leben. Oder einfach daran, dass ich dort eine wunderbare Zeit verbracht habe.

Seitdem ich 2013 Paris nach zwei Jahren den Rücken gekehrt habe, zieht es mich immer wieder dorthin zurück. Mal morgens hin, abends zurück. Mal ein paar Tage. Mal eine Woche.

Und immer wenn ich dort bin, fühlt es sich gut an. Wie nach Hause kommen. Vertraute Straßen, Geräusche und Gerüche. Die altbekannten gestressten Menschen, die durch die Métro hetzen. Früher war ich eine von ihnen. Eine unter Tausenden. Bin in der Masse untergegangen und habe alles um mich herum ausgeblendet.

Heute sieht das anders aus: Ich fühle mich fast schon als Touristin, die zum ersten Mal in Paris ist. Ich beobachte die Menschen um mich herum und gucke gespannt aus dem Fenster, wenn die Métro überirdisch fährt. Es ist nicht so, als wüsste ich nicht, wie es außerhalb der dunklen Tunnel aussieht. Im Gegenteil: Ich weiß es sogar ganz genau. Es ist nicht primär die Neugierde, die meine Blicke schweifen lässt, sondern die Freude. Die Freude, wieder da zu sein und vielleicht doch auch ein kleines bisschen Neugierde darauf, ob alles noch so ist wie es immer war.

Jedes Mal zieht es mich zu meiner Station, Alexandre Dumas, und ich freu mich wie ein kleines Kind, wenn ich die Treppen hoch komme und wie immer der Makronen-Mann seine Kastanien auf einem Einkaufswagen brutzelt und die nette Japanerin in ihrem Obstladen hinter der Scheibe steht und freundlich grüßt. 

Seit meinem letzten Besuch hat sich einiges verändert: Der Supermarkt hat endlich die kaputte Leuchtreklame repariert, die Bushaltestelle erstrahlt in neuem Glanz, der Sozialbau neben meiner Wohnung ist fertig renoviert worden und die Bäckerei gegenüber hat umgebaut. Und doch ist irgendwie alles wie immer.

Wie immer gehe ich bis zur Haustür meines Studentenwohnheims und gucke ins Foyer – auch hier ist alles wie immer. Nur heute bin ich nicht allein. Diesmal bin ich mit meinen beiden engsten Freundinnen von damals nach Paris gekommen. Wir stehen vor der Tür und haben Glück: Die Wohnheimsleiterin, Sophie, erkennt uns und öffnet die Tür. Sie fragt, ob wir wieder in Paris leben würden. Wir verneinen lächelnd und gleichzeitig frage ich mich, ob das überhaupt ein Grund ist, zu lächeln.

Bin ich froh, nicht mehr in Paris zu leben? Oder traurig?


Als wir das Wohnheim betreten und die Tür zum Garten öffnen, in dessen hinterster Ecke sich meine frühere Wohnung befindet, hätte ich ohne Probleme ein Tränchen verdrücken können. Wir gehen den Gartenweg entlang, und ich kann mein Glück kaum fassen, dass wir wirklich dort sind. Und dann ist sie da: Hinten rechts. Meine Wohnung. Die Vorhänge sind zugezogen und es ist niemand da. Aber die Bank zwischen den Bambussträuchern, die steht noch da. Wir nehmen Platz und freuen uns, wieder hier zu sein. Wie in alten Zeiten. Wir essen Kekse, trinken Cola und schwelgen in Erinnerungen.

Irgendwann stehen wir wieder auf und spazieren weiter die rue de Charonne hinunter. Zur Bastille. Zum Montmartre. Zum Türmchen. Wir schlendern durch Saint Germain und durchs Marais. Genießen die Aussicht von Lafayette. Fahren Vélib. Essen Crèpes. Trinken Cidre, 1664, Orangina. Shoppen auf der rue de Rivoli. Chillen im Jardin du Palais Royal. In den Tuileries. Im Jardin du Luxembourg. Flanieren an der Seine entlang.

Immer wenn ich in Paris war, fühle ich mich danach irgendwie besser.

Eigentlich ist jedes Mal alles wie immer, und ich merke: Nicht die Stadt verändert sich, sondern ich habe mich verändert. Ich bin nicht mehr Teil dieser Stadt. Aber sie ist nach wie vor ein großer Teil von mir. Und das wird auch für immer so bleiben.

<3