15.09.2016
Schweden Roadtrip #2: Das Abenteuer Wildcampen
Nach einem aufregenden und sportlich aktiven Tag im Abenteuerpark bei Hagårds Lagård machten wir uns auf den Weg in Richtung Westen. Irgendwo zwischen Gränna und Eksjö wollten wir uns ein hübsches Plätzchen zum Übernachten mitten in der Natur suchen. Wenn Wildcampen dank des Jedermannsrechts schon erlaubt ist, dann wollten wir davon schließlich auch Gebrauch machen.
Wildcampen: Das Jedermannsrecht
Für alle, die sich jetzt fragen, was es denn mit dem Jedermannsrecht auf sich hat, hier eine kurze Erklärung: Die Natur ist für alle da, jeder kann sie uneingeschränkt nutzen, solange man sie respektiert und ihr nicht schadet. Dies beinhaltet auch, dass man so gut wie überall 1-2 Nächte ohne besondere Erlaubnis im Freien übernachten kann, solange man alles wieder genau so hinterlässt, wie man es vorgefunden hat. Dazu zählt unter anderem auch, dass man keine Äste abbricht, seinen Müll wieder mitnimmt und Tiere in Frieden lässt. Außerdem ist darauf zu achten, dass man sich nicht in unmittelbarer Nähe zu Wohngebieten platziert und ggf. den Grundstücksbesitzer um Erlaubnis bittet, wenn man länger als eine Nacht bleiben möchte. Obwohl diese Punkte in meinen Augen eine Selbstverständlichkeit sind, wurde in der Vergangenheit nicht zuletzt auch von deutschen Touristen schon einiges an Schindluder mit dem Jedermannsrecht getrieben, deshalb kann ich jeden nur bitten, diese Regeln zu respektieren und auch zu befolgen, damit auch zukünftig das Jedermannsrecht für Jedermann gilt. 🙂
Leichter gesagt als getan!
Was relativ easy klingt, entpuppte sich jedoch recht schnell als gar nicht mal sooo einfach. Da wir mit dem Auto unterwegs waren, konnten wir natürlich nicht so einfach einen tollen Spot ausfindig machen. In unserer Traumvorstellung sah eben dieser Spot ungefähr so aus: Mitten in der Pampa, direkt am See, ohne Moskitos, auf einer kleinen Lichtung am Waldrand. Natürlich wollten wir auch so zeitig ankommen, dass wir in Ruhe den Sonnenuntergang genießen und uns ein Feuerchen machen konnten. Das konnte doch nicht so schwer sein?!
Positive Energiiiiie!
So fuhren wir mehr oder weniger planlos von Gränna aus in Richtung Westen und steuerten die verschiedensten kleinen Seen an, fuhren über Straßen, die uns mehr wie Feldwege vorkamen, die aber trotzdem ausgeschildert waren, und waren voller Hoffnung, das perfekte Plätzchen zu finden. An einigen Stellen stiegen wir aus, gingen ein Stück zu Fuß weiter, kraxelten durch verwunschene Wanderwege, um uns dann irgendwo im Unterholz wiederzufinden. Gerade an einem Tag wie diesem, mit einem Kletterabenteuer in den Knochen, war das nicht immer ganz so einfach und nach etwa zwei Stunden Suche machte sich langsam aber sicher Müdigkeit bei uns breit. Zur Not würden wir einfach irgendwo das Auto abstellen und ein paar Stündchen im Twingomobil nächtigen, aber das war natürlich nur Plan Z. Irgendwann, nachdem wir uns erneut vergeblich durchs Unterholz gekämpft hatten, und im Auto saßen sah Judith mich an und fragte „Anna, Vermisst du Mullsjö Camping?“. Ich lächelte nur und antwortete so etwas wie „Ach Quaaatsch, wir werden schon noch etwas finden! Positive Energie und so!“ – Aber so ganz überzeugend war das vermutlich nicht.
So fuhren wir also weiter, bogen mal links ab, mal rechts, Richtung Wald, an unzähligen kleinen Seen entlang. Und dann, es muss wohl so gegen 18Uhr gewesen sein, sahen wir auf der linken Straßenseite einen Wanderparkplatz, und sofort beschlich uns beide ein gutes Gefühl. Wir hielten also an und stiegen aus. Eine große Tafel sagte uns, dass wir uns im Björkenäs Naturreservat befanden und es gab sogar einen ausgewiesenen Platz zum Zelten!
In Naturreservaten ist das Jedermannsrecht nämlich eingeschränkt und man darf in diesen Gebieten nur dort wildcampen, wo es ausdrücklich erlaubt ist. Wir machten uns also auf die Suche nach diesem Örtchen und ließen unser Gepäck zunächst am Auto zurück. Der Wanderweg war allerdings mehr als abenteuerlich: Eigentlich sah es gar nicht aus wie ein Wanderweg. Hier war sicherlich seit mehreren Monaten oder sogar noch länger keine Menschenseele mehr gewandert, dachten wir uns.
Wildcampen: No risk – no fun ?!
Ungefähr eine halbe Stunde lang kraxelten wir weiter, bis wir uns unten am See wiederfanden und ein wirklich schönes Plätzchen entdeckt hatten. Nur leider war dies nicht der ausgewiesene Zeltplatz und somit war es verboten, hier zu nächtigen. Wir überlegten hin und her, fragten uns, wen es wohl ernsthaft interessieren würde, wenn zwei Mädels hier für eine Nacht zelten, und beschlossen dann vor lauter Erschöpfung, zum Auto zurückzugehen und unsere Sachen zu holen, um genau dort unser Zelt aufzuschlagen. Wild entschlossen und nach dem Motto „no risk, no fun“ marschierten wir den Weg wieder zurück. Oben angekommen, beschlichen uns dann doch wieder leise Zweifel, denn natürlich wollten wir das Jedermannsrecht eigentlich respektieren und nicht verbotenerweise irgendwo nächtigen. Als wir mit erneutem Blick auf die Wanderkarte feststellten, dass wir schlicht und ergreifend in die falsche Richtung gelatscht waren, entschieden wir uns also wieder um. 😀 Kein Wunder, dass wir den ausgewiesenen Zeltplatz nicht gefunden hatten. Na toll!
Da wir keine Lust hatten, noch weiter Zeit zu verlieren, packten wir unsere sieben Sachen und schlugen kurze Zeit später den anderen Weg ein, der uns doch bitte zu eben dieser Stelle führen sollte! Auch dieser Weg war ganz schön abenteuerlich, eigentlich war es mehr eine Wiese im Hang, als ein richtiger Weg. Mehrere Schilder warnten vor Rindern und anderen Tieren, und wir waren heilfroh, dass uns nichts dergleichen begegnete. Nach ca. 20 Minuten erblickten wir eine Grillhütte und dachten uns, okaaay der Zeltplatz kann nicht mehr weit sein.
Jedoch lag die Grillhütte nicht direkt am Seeufer und auf der Wandertafel oben am Parkplatz war das kleine Zelt direkt am See eingezeichnet. Deshalb luden wir unser Gepäck kurz an der Hütte ab und machten uns so weiter auf die Suche nach dem Zeltplätzchen am See. Als ich Judith rufen hörte „Anna, ich habs gefunden! Hier drüben!“ war ich einfach nur erleichtert.
Der Spot, den Judith gefunden hatte, entpuppte sich als ganz schön matschig, sumpfig und klein, aber selbst das war uns jetzt absolut egal. Wir waren müde und hungrig und während ich das Zelt aufbaute, begann Judith schonmal zu kochen.
Diese Nudeln hatten wir uns nun wirklich verdient! Umgeben von Mücken und anderen Insekten, redeten wir uns ein, dass das doch ein wirklich hübsches Plätzchen sei, obwohl wir beide eigentlich irritiert waren, dass das hier wirklich der ausgewiesene Platz zum Wildcampen sein sollte. Hoffentlich würde es nicht regnen, denn dann stünde unser kleiner Nachtplatz recht schnell unter Wasser dachten wir, aber naja. Positive Energie und so.
Wildcampen: Willkommen im Paradies!
Nach dem Essen stellte ich mich mit den Füßen in den See und guckte verträumt in der Gegend umher. Ich guckte nochmal, um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht getäuscht hatte und meinte dann zu Judith: „Sag mal, auf einer Skala von 1 bis 10: Wie sicher sind wir uns eigentlich, dass wir hier wirklich richtig sind?“. Sie antwortete „Ochjoa, schon so 8 würde ich sagen!“. Ich sagte nur: „Mhm… warte mal kurz.“ und ging etwa 50m am Ufer entlang.
Was sich dann dort vor mir auftat, kann ich immer noch nicht so ganz glauben: Eine kleine Bucht mit Sandstrand, eine etwas höher gelegene Wiese, eine Feuerstelle mit zwei Balken zum Sitzen und das alles in Form einer kleinen Lichtung. Das war unglaublich! Das war der eigentliche Zeltplatz! Nicht unser kleines Matschloch 50m weiter rechts. Oh Mann!
Innerhalb von wenigen Minuten hatten wir unser Lager umgesiedelt und machten uns auf die Suche nach ein bisschen Feuerholz. Die Sonne war inzwischen fast vollständig untergegangen.
Zum Glück hatte ich Judith dabei, die sich als wahre Feuermeisterin entpuppte. Sie gab mir ein paar Anweisungen und zusammen schafften wir es dann tatsächlich, ein hübsches kleines Lagerfeuer zu zaubern. Hach, was ein schönes Gefühl!
So saßen wir dann eine ganze Weile da, genossen die Stille und das Knistern des Feuers. Erschöpft und glücklich. Wir hatten es geschafft. Wir hatten genau so eine Stelle zum Wildcampen gefunden, wie wir sie uns vorgestellt hatten. Und nun saßen wir hier, an einem so wunderschönen Fleckchen Erde, dass es uns beiden einfach die Sprache verschlug.
Von der anderen Seite des Sees drangen sanfte Klänge einer Party zu uns hinüber, das letzte Lied, das dort gespielt wurde war „Il est 5 heures, Paris s’éveille“, aber da waren wir schon im Halbschlaf.
Als wir am nächsten Morgen erwachten, wohlgemerkt nach der ersten regenfreien Nacht unserer Reise, und das Zelt öffneten, wurden wir erneut von einem unfassbaren Glücksgefühl gepackt: Unser Spot war einfach nur wunderschön. Und jetzt schien sogar die Sonne!
Wir frühstückten, hüpften in den See, genossen das Leben. Ein absolut perfekter Start in den Tag! <3
Zusammen mit einem weiteren Erlebnis, war dieses das Tollste der gesamten Reise. Was das zweite unglaublich aufregende Erlebnis war, erzähl ich euch bald auch noch.
In Teil 3 der Schwedenberichte geht’s aber erstmal ins „richtige“ Småland, so wie man es sich vorstellt: Da nehm ich euch unter anderem mit nach Mariannelund und Katthult und zeige euch die Fahnenstange, an der einst Michel Klein Ida hochzog 🙂